1980 Lawwill Pro Cruiser

eines der ersten für's Gelände gebauten Bikes

owner: Stefan Scherzinger

Gegen Ende der 70er Jahre bretterte eine kleine Gruppe ehemaliger Rennradfarer und andere Gestalten regelmässig die Fireroads des kalifornischen Mt. Tamalpais runter. Dazu verwendeten sie Schwinn Cruiser, die sie von den Schrotthalden holten und umbauten. Die meisten Bikes hatten damals noch Rücktrittbremsen, die bei diesen Downhills dermassen heiss wurden, dass das Fett rausdampfte. Weil diese deshalb andauernd eine neue Fettpackung brauchten, nannten sie die Rennen "Repack-Race". Dummerweise hielt das Material den harten Belastungen nie lange stand und musste ständig ersetzt werden. In dieser Zeit entstanden in Garagen und Hinterhöfen die ersten Bikerahmen.

1978 kam der frühere Motocross Grand National Champion Mert Lawwill in den Cove Bikeshop in Tiburon/Ca., geführt von der Familie Koski, seit 1976 DIE angesagte Adresse für die Klunkerscene. Er erkundigte sich nach Möglichkeiten, ins BMX-Geschäft einzusteigen, bekam aber die Antwort dass "the new multi-geared, off-road bicycles" die Zukunft des Fahrrads seien. Von Don Koski erhielt er einen freihändig geschweissten Prototypen aus elektrischen Rohrleitungen. Lawwill fügte noch ein Versteifungsrohr hinzu und liess die Räder dann beim Motorradbauer Terry Knight in Hayward produzieren. Das Rad kostete ca 500$ und war damit deutlich günstiger als ein Ritchey. Einge Hundert wurden bis zum Produktionsende 1982 gefertigt. Natürlich produzierte Knight im TIG Schweissverfahren. Die sehr feinen Schweissraupen kriegt man nur mit Geschick und Erfahrung hin. Mit TIG Schweissen ist man deutlich schneller gegenüber dem damals weit verbreiteten filled brazing (Auftragslöten). Zudem ist es leichter und stabiler. Also wenn man’s kann, hat es technisch gesehen nur Vorteile.

Die Geometrie ist an die damaligen Schwinn Cruiser angelehnt mit flachen Winkeln und langen Kettenstreben für viel Laufruhe bei den schnellen Downhills. Das Design mit dem doppelten Oberrohr wiederum stammt von damaligen BMX Bikes und bringt enorme Stabilität! Eine ähnliche Verstrebung hatte auch Joe Breeze bei seinen ersten Rahmen konstruiert.

Den superbreiten Lenker und verchromten Vorbau mit hohem Wiedererkennungswert baute Lawwill auch gleich selbst. Bei der Gabel griff er auf bewährtes BMX-Material zurück. Pro Jahr baute er ca. 75 Stück und verkaufte sie direkt und in lokalen Shops. Auch im Trailmaster Katalog war er gelistet. Das Design mit der Verstrebung war dann sehr schnell überholt und der Procruiser gehörte zum alten „schweren“ Eisen. Entsprechend wenige Exemplare gibt es davon. Weitere Bikes hat Lawwill nicht gebaut, er hat sich dann wieder mehr den Motorrädern gewidmet, blieb aber der Bikeindustrie als Entwickler von Federsystemen und Konstrukteur erhalten. 1998 konstruierte er für John Parker das Yeti Downhillbike. Yeti war damals der Inbegriff von cool und „Lawwill“ auf einmal auch in der Bikewelt kult. Jedoch wussten die wenigsten, dass er bereits eine Bike-Vergangenheit hatte.

Das komplette Bike kaufte ich 2008 in komplettem Originalzustand in den USA. Der Verkäufer kaufte es für unglaubliche $20 und wusste nicht genau was er da hatte. Im Amerikanischen Mountainbikeforum MTBR fragte er was das sei und erfuhr dass er mit dem ProCruiser etwas sehr seltenes in topzustand an Land gezogen hatte und verkaufte es mir für das Vielfache!